Klient: Freie Arbeit / Zeit: März 2022 / Rolle: Text
Bin ständig in Bewegung. Muss zur Uni, zur Arbeit, zum Yoga. Muss zu Freunden, nach Hause oder gerade wieder weg. Ich muss noch putzen und einkaufen und lernen, aber eigentlich muss ich auch mal raus. Brauche Entspannung, will mal relaxen. Ich will mein Leben im Griff haben und es genießen. Ich will mein Studium schaffen, ich will lernen und ich will gut sein in dem, was ich tue. Aber ich will nicht nur arbeiten. Also Work-Life-Balance. 
Ich will, was alle anderen auch schaffen: Acht Stunden am Tag produktiv sein, jeden Tag frisch und gesund kochen, natürlich nur vegan und Bio. Dann zwei Stunden Sport machen und auch noch Bock darauf haben. Währenddessen meine sozialen Kontakte pflegen und mindestens eine Stunde Zeitung lesen am Tag. Ich bin schließlich immer „up to date“. Immer auf dem Laufenden. Hab Ahnung von Politik, Ahnung von Wirtschaft und weiß, was sonst so in der Welt passiert. 
Ich will jeden Tag ein bisschen lesen, einfach weil es mir Spaß macht, eine handyfreie Zeit festlegen, um zu mir selbst zu finden. Und ich will, dass jeder meiner InstagramFollower weiß, dass ich ganz im Einklang mit mir selbst bin und mir die Meinung anderer völlig egal ist. 
Ich will beliebt sein: Bei jeder Feier eingeladen, bei jedem entspannten Treffen dabei. Ich will diejenige sein, die man um Rat fragt, wenn man nicht mehr weiter weiß. Ich will klug und witzig, spontan und selbstständig sein. Und ich will, dass mir das alles leichtfällt. Ich will keinen Druck spüren, denn niemand macht mir Druck. Ich habe mir mein Leben, so wie ich es führe selbst ausgesucht und ich will jede Sekunde dankbar dafür sein, dass ich diese Freiheit habe. 
Dankbar. Sei dankbar. Ist das etwa zu viel verlangt? Kein Grund sich gestresst zu fühlen. Denn Stress, den will ich nicht. Stress ist weder klug noch witzig. Wer gestresst ist, hat sein Leben nicht im Griff. Bei dem stimmt die Work-Life-Balance nicht. Wer gestresst ist, ist überfordert, und wer überfordert ist, ist schwach. Überfordert… wovon denn überhaupt? Vom Yoga machen? Vom in der Sonne sitzen und lesen? 
Sicher nicht. Es sind nicht die Dinge, die ich tue, die mich stressen, sondern die, die ich deshalb am Ende nicht schaffe. Denn Yoga macht nun mal nur wenig Spaß, wenn man ständig auf die Uhr schaut. Lesen fällt schwer, wenn man sich nicht erlaubt in die Geschichte einzutauchen, aus Sorge, in ihr hängenzubleiben und Sport mag ich im allgemeinen nicht besonders. 
Druck ist eine komplizierte Angelegenheit. Besonders, wenn es nicht das äußere Umfeld ist, was einen unter Druck setzt, sondern die eigenen Ansprüche, die schwer mit der Realität zu vereinbaren sind. In welchem Zusammenhang Waldemar sich mit dem Thema „Druck und Gelassenheit“ auseinandersetzt, kann ich nicht sagen, aber ich danke ihm für das Teilen dieses Gedankens. Denn wenn ich jetzt so darüber nachdenke, weiß ich was ich will. Ich will gelassener werden. Jeden Tag ein bisschen. Und vielleicht lese ich an manchen Tagen gar nicht mehr. Und an anderen Tagen dann aber wenigstens so viel, dass ich nicht mehr aufhören möchte und das dann auch einfach nicht mehr tue.    
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